Das Corona-Virus sorgt für Lieferengpässe an den unterschiedlichsten Stellen in Deutschland. Besonders schlimm: diejenigen, die den Viren meist direkt ausgesetzt sind, haben keinen Schutz – Pflegepersonal, Ärzte, Krankenschwestern und viele weitere Beschäftigte im Gesundheitswesen erhalten maximal zwei Masken zum Wechseln für ihre Schicht.
Unser Kollege Bernd aus dem Bereich Local Networks sieht diesen Beitrag im MDR an einem Donnerstagabend Ende März und erkennt sofort die Problematik: es müssen Aushilfsmöglichkeiten her! Ein tschechischer Hersteller von 3D Druckern hat bereits Dateien für behelfsmäßige Halterungen in einem entsprechenden Programm erstellt und diese der „Maker-Community“ bereitgestellt. Als die ersten Videos von Youtubern aus der 3D-Druckszene auftauchen nimmt Bernd mit seinem Hub (ein Hub ist ein Zusammenschluss von sogenannten „Machern“) die Produktion auf – und ist nicht allein mit seiner Idee. Ab da steht sein Telefon nicht mehr still.
Maker, frei übersetzt die „Macher“ – das sind freiwillige, technikbegeisterte Leute, die Menschen und Organisationen, die im medizinischen Bereich angesiedelt sind, gern bei der Verhinderung der Ausbreitung des Corona-Virus im Arbeitsalltag unterstützen wollen. Und das in Verbindung mit ihrem technischen Know-How. Die Maker des Hubs in Chemnitz sind über die Community „Maker vs. Virus“ organisiert – einer Gemeinschaft von Makern im Umkreis von Chemnitz:
Gemeinsam stellen die Maker unterschiedlich große Halterungen für „Faceshields“ (Gesichtsbedeckungen) her, die kostenfrei für den Bedarf im bspw. medizinischen Bereich zur Verfügung gestellt werden.
Bernd besitzt insgesamt sechs 3D-Drucker. Zwei davon laufen seit dem darauffolgenden Freitag im Dauerbetrieb. Generell wird beim 3D-Druck schichtweiße Material aufgetragen, um so einen dreidimensionalen Körper aus Kunststoff herzustellen. Mit dem Gerät „Prusa I3 MK3s“ stellt er im 3D-FDM-Druckverfahren breite Halterungen für den Einsatz bei z.B. Ärzten oder im Klinikbereich her. Das FDM-Druckverfahren (Fused Deposition Modeling; dt.: Schmelzschichtung) beschreibt die Herstellung eines Gegenstandes aus einem schmelzfähigen Kunststoff (wie bspw. PLA, ABS oder PETG). Eine Halterung wird innerhalb von drei Stunden gedruckt – das erklärt auch, warum die Drucker derzeit Tag und Nacht laufen. Das Modell „Zaribo“ schafft in 35 Minuten schon eine der schmaleren Faceshield-Halterungen. Diese kommen bspw. in Pflegeeinrichtungen zum Einsatz.
Die Faceshields an sich entstehen aus rollenweise Kunststoff, dem sogenannten „Filament“. Hierbei handelt es sich um ein thermoplastisches Kunststoffmaterial, konfektioniert auf einer Rolle, die auf den Drucker eingelegt wird. Wörtlich übersetzt bedeutet Filament (lat.) einfach „Fadenwerk“. Man könnte also sagen, die Halterungen werden von einer Spule in Drahtform Schicht für Schicht gedruckt und so zu einem Gegenstand geformt – in unserem Fall in die Formen zwei unterschiedlich breiter Halterungen für Faceshields.
Zu den Halterungen kommen nun die Schilde hinzu, die an dafür vorgesehenen Punkten aufgesteckt werden. Diese Schilde sollen das Gesicht bedecken und so einen Beitrag zur Abwehr der Tröpfchen-Infizierung mit dem Virus leisten. Das hierfür verwendete Material ist überwiegend PET-Folienglas, ein sehr dünnes und leicht formbares Material, das aber dennoch nicht einreißen kann. Um die Folien in die gewünschte Form zu bringen, bedarf es einem Laser-Zuschnitt. Hierfür werden wieder bestimmte Maschinen benötigt – und ganz im Sinne einer zusammenarbeitenden und vernetzten Community dauerte die Suche nach einem Helfer natürlich nicht lang – Bernd konnte bereits am nächsten Dienstag den ersten Zuschnitt von 3qm Folie von der Firma LaserCut Hofmann aus Chemnitz abholen – die Zuschnittkosten wurden sogar noch übernommen und somit gesponsert.
Freitags zuvor war Bernd noch in verschiedenen Baumärkten auf Materialsuche. Der gesamte Aufwand geschah aus der eigenen Tasche von ihm vorfinanziert. Das trifft auch den Grundgedanken der Maker-Community auf den Punkt: niemand will sich mit den Faceshields bereichern, es geht um den Gedanken schnelle und unbürokratische Hilfe mit der Bereitstellung von solchen einfachen Hilfsmitteln zur Verfügung zu stellen. Weitere regionale Unternehmen unterstützen das Vorhaben tatkräftig. Auch die MUGLER AG war von Bernds Enthusiasmus begeistert und beteiligte sich mittels einer Materialspende.
Die Faceshields werden ohne Einhaltung von DIN-Normen oder einschlägiger Vorschriften hergestellt und keinen klinischen Tests unterzogen – weshalb sie auch keinen medizinischen Schutz bieten. Darauf verweist auch ein Beipackzettel. Aus diesem Grund dürfen sie auch nicht die Bezeichnung „Schutz“ enthalten. Dennoch verfolgen ihre Herstellung und ihr Einsatz das Ziel, in der Zeit des Corona-Virus zumindest etwas Sicherheitsgefühl zu vermitteln.
Das Projekt ist aus einer Eigeninitiative entstanden, die die Grundbedürfnisse der aktuellen Situation klar zum Vorschein bringt: gemeinsam helfen und Lösungen finden. Über die Suchfunktion auf der Karte des Internetportals von Maker vs. Virus können sich Personen, Organisationen, Praxen, Pflegeeinrichtungen, … an den nächstgelegenen Hub wenden und diesen kontaktieren. Aus Zeitgründen wurde der Hub Chemnitz an das Stadtlabor „Mitmach_X“ Chemnitz übergeben. Seit der Gründung konnten so mittlerweile an die 1.000 Gesichtsschilde an Ärzte, Feuerwehren und Pflegedienste kostenlos übergeben können. Der Abnehmerkreis vom Hub Chemnitz hat sich bereits auf Friseure, Behindertenwerkstätten, Zahnlabore, Blutspendedienste und Kosmetikstudios erweitert.
Beitrag verfasst von Katrin Seemann (Marketing).